Auf rauschende Feste und spektakuläre Darbietungen folgten Stunden der Lust. Während Charles II am Tage die Treue zu seinem Land pflegte, pfiff er bei seinen nächtlichen Techtelmechteln auf eheliche Treue. Harmlose Liebeleien des Königs konnten für die auserwählten Damen den Aufstieg in den Adelsrang bedeuten. So spielten sich Musen und Geliebte gegenseitig aus, wurden zu Herzoginnen und waren im Volk oft sogar beliebter als die Königin. Allesamt schafften sie etwas, das der Königin nicht gelang – sie schenkten ihrem Herrscher Kinder. Wer waren diese Frauen? Was war ihr Schlüssel zum königlichen Herzen? Und was passierte, wenn uneheliche Nachkommen aus diesen Verhältnissen hervorgingen?
Entzücken und Schrecken, Lust und Qual liegen manchmal nah beieinander. Carlo Dolcis Gemälde präsentiert sich anziehend und abstoßend zugleich. Eine verführerische Frau zieht die Blicke auf sich, schockiert jedoch den Betrachter durch die Gelassenheit, mit der sie das abgeschlagene Haupt eines Mannes auf einem Teller darbietet.
Die Frau ist Salome, Stieftochter des biblischen Königs Herodes. Durch ihren Tanz hat sie ihn dermaßen verzaubert, dass er bereit ist, ihr jeden Wunsch zu erfüllen. Auf Anraten ihrer Mutter verlangt sie den Kopf eines besonders prominenten Häftlings: Sie fordert die Enthauptung eines heiligen Mannes, Johannes des Täufers. Die Grausamkeit der Schönen kontrastiert spannungsvoll mit ihrem lieblichen Aussehen.
Charles II erhielt dieses Gemälde als Geschenk und war davon so fasziniert, dass er es im eigenen Schlafzimmer aufhängen ließ. Vermutlich sprach ihn das Werk deswegen so stark an, weil er eine Vorliebe für „femmes fatales“ besaß, die selbst Könige in die Knie zwingen.
– M. Kl.
Die Frauen, denen Charles II verfiel, waren sehr unterschiedlich. Sie stammten teils aus dem Adel, teils aus dem einfachen Volk. In ihren Porträts bildet sich ein ganzes Spektrum von Frauenrollen ab. Diese sollen im Folgenden näher beleuchtet werden.
Seitenblicke gelten den Kindern, die aus den außerehelichen Affären des Königs hervorgingen. Sie genossen alle Vorteile, die Königskinder erwarten konnten – das Einzige, worauf sie kein Recht besaßen, war der Thron.
“the King do mind nothing but pleasures […] that my Lady Castlemaine rules him, who, he says, hath all the tricks of Aretin that are to be practised to give pleasure.”
(Samuel Pepys, Tagebuch, 15. Mai 1663)
Wie aus dem Tagebuch von Samuel Pepys hervorgeht, brüstete Charles II sich, seine Geliebte Barbara Villiers (auch bekannt als Lady Castlemaine) beherrsche „alle Tricks Aretins“ ‒ mithin das erotische Repertoire, das der italienische Renaissance-Autor Pietro Aretino nicht nur beschrieben, sondern auch durch pornographische Illustrationen veranschaulicht hatte. Verblüffenderweise zeigt sich Barbara Villiers in diesem Gemälde jedoch in der typischen Robe der Muttergottes, dem fließenden roten Kleid mit blauem Obergewand und Schleier. Neben ihr sitzt einer ihrer Söhne, wahrscheinlich Charles FitzRoy, dessen Pose auf das Jesuskind anspielt. Offenbar wollte Barbara mit diesem Werk der Welt zeigen, dass ihre Kinder mehr als nur illegitime Nachkommen sind: Durch seinen illustren Vater besitzt der Kleine quasi göttlichen Status.
Barbara stammte aus einer vornehmen, aber verarmten Adelsfamilie. 1659 heiratete sie Roger Palmer und begab sich mit ihm an den Hof des damals noch exilierten Königs. Wenig später begann ihre Affäre mit Charles II. Nachdem sie sich 1662 offiziell von ihrem Mann getrennt hatte, gebar sie dem König im Laufe ihrer langjährigen Beziehung insgesamt sechs Kinder. In den 1670er Jahren löste Louise de Kéroualle sie als Favoritin des Königs ab.
– M. Kl.
Nell Gwyn wuchs nach eigener Auskunft in einem Bordell auf, hat dort Alkohol ausgeschenkt und vermutlich auch selbst als Prostituierte gearbeitet. Sie war für ihre Schlagfertigkeit und temperamentvolle Persönlichkeit bekannt. Nach ersten kleinen Rollen im Theater entwickelte sie sich zu einem aufstrebenden Star. Doch nicht nur als Schauspielerin hatte sie Erfolg, sondern auch in der Liebe. Ihre Liebhaber waren immer einer reicher als der vorherige – bis sie schließlich an einem denkwürdigen Theaterabend sogar Charles II höchstpersönlich in ihren Bann ziehen konnte. Sie gebar dem König zwei Söhne, Charles (1670) und James (1671).
In dem Kupferstich, der ein Gemälde von Henri Gascar reproduziert, erscheinen die beiden Kinder als geflügelte Amoretten. Der kleinere Junge hält einen Bogen, das übliche Attribut des Liebesgottes Amor. Sein älterer Bruder schlägt einen üppigen Vorhang zurück, um die lasziv im Gras lagernde Mutter zu enthüllen. Nell Gwyn präsentiert sich als verführerische Venus ‒ in einem Nachthemd, das sie ihrer Rivalin Louise de Kéroualle gestohlen haben soll. Die Bildunterschrift spielt unmissverständlich auf Nells Rolle am Königshof an, denn ihr Name erscheint zu „Ellen Groinn“ verballhornt. „Groin“ ist das englische Wort für die Leistengegend und somit ein leicht verblümter Hinweis auf die Körperregion des Königs, die sich besonders zu Ellen hingezogen fühlte.
– M. Rei.
Charles Beauclerk wurde als erster der beiden Söhne von Charles II und Nell Gwyn am 8. Mai 1670 geboren. Da der König keine legitimen Nachkommen hatte, brachte er Beauclerk viel Aufmerksamkeit entgegen. Nell drängte ihren Geliebten, die gemeinsamen Kinder in den Adelsstand zu erheben. So wurde der kleine Charles Beauclerk bereits in seinem sechsten Lebensjahr Baron Heddington und Earl of Burford. Mit 11 wurde er zur Ausbildung nach Frankreich geschickt. Er lernte dort unter anderem Französisch und Militäradministration. Im Jahr 1684 verlieh ihm Charles II den Titel Duke of St. Albans und erhob seinen unehelichen Sohn damit unter die vornehmsten Adligen des Reiches.
Godfrey Knellers Porträt zeigt den hübschen Jüngling im Alter von ca. 20–25 Jahren. Das Bild entstand ungefähr zur Zeit seiner Heirat im Jahr 1694. Charles vermählte sich mit Diana de Vere, einer berühmten Society-Schönheit und Alleinerbin des Earl of Oxford, mit der er 12 Kinder zeugte.
– M. Rei.
Louise de Kéroualle hatte in der englischen Bevölkerung nie denselben Beliebtheitsgrad wie ihre einheimische Konkurrentin Nell Gwyn. Obwohl oder gerade weil Louise einem französischen Adelshaus entstammte und gute Manieren mitbrachte, war sie den Briten suspekt; u. a. verdächtigte man sie der Spionage.
Louise gehörte in Frankreich zu den Hofdamen der Herzogin von Orléans, die eine an den französischen Hof verheiratete Schwester von Charles II war. In ihrem Gefolge besuchte Louise im Jahr 1670 England und wurde bald darauf eine Mätresse des Königs. 1672 kam ihr gemeinsamer Sohn zur Welt, und 1673 verlieh Charles seiner Geliebten den Titel Duchess of Portsmouth. Louise gelang damit ein wesentlich rasanterer sozialer Aufstieg als Nell Gwyn, die gleichzeitig um die Gunst des Königs buhlte.
Die Rivalität der beiden Frauen kommt auch in ihren Porträts zum Ausdruck. Beide ließen sich von dem Franzosen Henri Gascar malen – und beide in ganz ähnlichen Posen, lasziv hingestreckt in einer Landschaft. Während sich Nell Gwyn jedoch als Venus präsentierte, wählte Louise de Kéroualle die Rolle der Maria Magdalena. Der Legende nach hatte diese Heilige lange als Einsiedlerin in Frankreich gelebt; fern der Zivilisation bedeckte sie ihre Blöße nur mit ihren langen Haaren. Kéroualle mag sich mit der „französischen“ Heiligen identifiziert haben, nutzte die Legende aber vor allem dazu, ihr langes Haar auf nackter Haut höchst vorteilhaft in Szene zu setzen.
– M. Rei.
Charles Lennox war der Sohn von König Charles II und Louise de Kéroualle, geboren am 29. Juli 1672. Im zarten Alter von 3 Jahren erhob sein Vater ihn zum Duke of Richmond und Duke of Lennox. Der Titel Duke (Herzog) bezeichnete den höchsten Adelsrang. Nell Gwyn war empört, dass der Sohn ihrer französischen Rivalin bereits so jung (1675) in den Genuss dieses Titels kam. Ihr eigener Sohn Charles musste hingegen bis zum Alter von knapp 14 Jahren warten, bevor er 1684 zum Duke of St Alban’s aufstieg.
Knellers Porträt veranschaulicht zudem eine Ehre, die Nells Söhnen verwehrt blieb: Der König nahm Charles Lennox 1681 in den exklusiven Hosenbandorden auf. Entsprechend ziert das aufgestickte Ordenskreuz seine Samtjacke – ganz ähnlich wie auf einem Porträt seines Vaters. Auch in diesem Punkt musste Charles Beauclerk wesentlich mehr Geduld aufweisen, denn er fand nicht durch den eigenen Vater, sondern erst durch König George I im Jahr 1718 Aufnahme in den Hosenbandorden.
– M. Rei.
“She perform’d that so Charmingly, that not long after, it Rais’d her from her Bed on the Cold Ground, to a Bed Royal.”
(John Downes, Roscius Anglicanus)
Mary (genannt „Moll“) Davis war ebenso wie Nell Gwyn Schauspielerin und zudem eine begabte Gitarristin. Sie zählte zu den wichtigsten Darstellerinnen am Duke’s Theatre in London. Ihre Affäre mit Charles II begann bereits 1667, verlor aber an Intensität, nachdem er Nell kennengelernt hatte. Erst 1673 brachte sie ihr erstes (und Charles’ letztes) Kind zur Welt ‒ eine Tochter namens Mary.
Der Hofmaler Peter Lely porträtierte Moll Davis nicht in einer erkennbaren Rolle, sondern betonte vor allem ihre erotische Ausstrahlung. Sie erscheint halb ausgezogen und bedeckt sich kokett mit einem blauen Tuch. Mit verführerischem Blick mustert sie den Betrachter, als ob sie ihn in ihr Schlafgemach einladen wolle. Die bauchige, kostbare Vase, auf welcher Marys rechte Hand ruht, könnte auf ihre Schwangerschaft anspielen.
– M. Kl.
Die spätere Lady Mary Radclyffe wurde am 16. Oktober 1673 als Tochter von Moll Davis und Charles II geboren. Sie wuchs im Umkreis von Adeligen, Theaterleuten, Dramatikern, Künstlern und Dichtern auf und begann schon in jungen Jahren mit der Schauspielerei, ihr Vorbild natürlich ihre Mutter. Das extravagante Kostüm, in dem sie hier porträtiert wurde, verrät ihren Hang zur Theatralik. Ansonsten ist über das letzte illegitime Kind von Charles II jedoch nur wenig bekannt. Durch ihre Ehe mit Edward Radclyffe, 2nd Earl of Derwentwater, gelang Mary 1687 der Aufstieg in den niederen Adel. Nach dessen Tod heiratete sie noch zweimal (jeweils Bürgerliche) und verstarb 1726 in Paris.
Im Rückblick auf die Lebensgeschichten der unehelichen Nachkommen von Charles II zeigt sich, dass der König seine Kinder nicht gleich behandelte. Vielmehr scheinen der Status der Mutter und das Geschlecht des Kindes die Intensität seiner Zuwendung beeinflusst zu haben. Die Söhne besaßen für ihn generell höheres Interesse als seine Tochter, was sich darin äußerte, dass er ihnen durch Rangerhöhungen deutlich mehr Prestige verlieh. Doch auch dabei gab es noch Abstufungen. Als Sohn einer Adligen hatte Charles Lennox es wesentlich leichter als die Söhne der bürgerlichen Nell Gwyn, zu höchsten Adelswürden aufzusteigen.
– M. Kl.